GeKILLt vom KILL – trotz der dankeswerten Gnade des Sensenmannes
Die Aufgabe des Veranstalters klingt zunächst einfach: Du läufst 50 Meilen (etwas mehr als 80 km) und bist danach fette stolz auf Dich! Dann aber kommen die Details: gelaufen wird im November (macht nichts), Laufgebiet sind das Alfelder und Hildesheimer Bergland, Startzeit ist 17 Uhr (was, ein Nachtlauf?) und als Krönung: gelaufen wird nach topographischer Karte! Damit war ich blindes Huhn raus, denn das ist für mich alles andere als machbar, das ist kein idyllischer Landschaftslauf – KILL eben!
Ab jetzt bin ich allein, sehe niemanden mehr, nur hin und wieder auf den großen Freiflächen vor oder hinter mir die Lichter der Stirnlampen. Es geht einsam durch die Nacht, immer die Reflektoren suchend oder den Track auf dem Gerät im Auge habend. Es läuft überraschend gut, nur der gelegentliche Nebel macht mir immer wieder zu schaffen. Man sieht mit Lampe nichts, ohne Lampe gar nichts!
Obwohl ich körperlich absolut fit bin, beschließe ich, am VP bei km 31, den ich erst nach 4 Std. 25 min erreiche, aufzugeben. Das alles hat keinen Zweck, ich habe mich überschätzt, ohne „Blindenhund“ geht hier nichts!!!
Susanne, die hier den VP in einer eiskalten Bushaltestelle managt, und Almuth, die auch in der Nacht immer mal wieder aufmunternd vor Ort sein wollte, überzeugen mich: jetzt, in den Sieben Bergen, wären die Wege besser, die Cut-Off-Zeit, 8 Stunden nach ca. 54 km, würde ich schon schaffen.
Tatsächlich geht es auf guten wenn auch steilen Wegen weiter auf und ab. Kurze Trailpassagen sind unangenehm, aber überschaubar. Es sieht gut aus, Bergabpassagen trabe ich, es macht sogar Spaß.
Es ist etwa 0:30 Uhr, es kann nicht mehr weit bis zum Start-/Zielbereich sein, ich könnte es also schaffen, auf die zweite Runde zu gehen, dachte ich. Der Blick auf mein GPS-Gerät lässt mir allerdings den Atem stillstehen: ich bin nicht mehr auf dem Track! Im Rausche des Bergablaufes habe ich eine Markierung übersehen, war gut 400 m zu weit und viel zu tief. Und warum zum Teufel war es so dunkel?! Die Akkus meiner angeblich 40 Stunden brennenden Stirnlampe hatten nach knapp acht Stunden den Geist aufgegeben. Rucksack ab, Stirnlampe gewechselt, wieder der Blick auf die Karte. Es half nichts, ich musste zurück! Mühevoll ging es wieder bergauf.
Am verpassten Abzweig endlich andere Läufer, ein Pärchen aus den USA. Oje, die waren ganz schön erschöpft, bei ihnen konnte ich nicht bleiben, ich hatte immer noch den Cut Off vor Augen und beschleunigte.
Und dann, das Ziel vor Augen, wieder eine schlammige rutschige und der Länge wegen zeitraubende Trailpassage!
Es war kurz vor 1 Uhr! Dann soll es eben so sein, VORBEI!
Gegen 1:20 Uhr kam ich in der Kulturherbege, noch lange nicht als letzter, an. Hier erklärte Michael, „Sensenmann“ des KILL, dass ich noch weiter könne, er würde bis 2 Uhr alle durchlassen. Aber meine Entscheidung war vorher gefallen, mein Kopf war für die zweite Runde nicht mehr frei. Meine Erkennungsmarke brach knirschend durch, eine Hälfte bleibt beim „Verstorbenen“, die andere reiht sich in die Garde derer ein, die KILL Bill zieren.
(Das amerikanische Pärchen ist übrigens um Punkt 2 Uhr in die zweite Runde gestartet und hat tatsächlich nach mehr als sechs weiteren Stunden für die „restlichen“ 27 km das Ziel erreicht – alle Achtung!)
Mein aufgezeichneter Track der gelaufenen ersten Runde:
Distanz: Kilometer Höhe (min): Meter Höhe (max): Meter
Fazit:
Ein verrücktes, aber tolles Laufevent, auf das ich mit einem guten Gefühl zurück blicke. Es war ein „Kopfaus“, kein körperliches. Im Gegenteil, ich war gefühlt überraschend gut unterwegs, nach der langen lauffreien Sommerpause bin ich zurück im Ultralauf, ein schönes Gefühl.
Und was KILL Bill betrifft: ja, er hat mich, DIESMAL!
Annonce: „Blindenhund“ für 2017 gesucht, 80 km, 2000 hm, Zielzeit ca. 13 – 14 Stunden!