Zieleinlauf ohne Ziel – die Regenschlacht des JUNUT 2022
Die Wetterprognose ist katastrophal! Wir stehen mit Mirko um 11 Uhr des 08.04.2022 am Start unseres zweiten gemeinsamen extrem langen Ultralaufes auf dem Marktplatz in Dietfurt, es beginnt, wie vorausgesagt, zu tröpfeln. Glaubt man dem Wetterbericht, der Ausrichter wünscht uns vor dem Start, dass es nicht so kommen möge, wie vorhergesagt, wird es eine ähnliche Regenschlacht, wie beim rennsteig-nonstop 2021.
Start, Jubel, wir sind und bleiben optimistisch, wir sind unterwegs.
Bereits zweimal war ich beim JUNUT (Jurasteig-Nonstop-Ultratrail) auf der 170-km-Strecke unterwegs gewesen, hatte 2015 in Matting nach knapp 80 km aufgegeben, im Jahr darauf dann aber das Ziel erreicht. Damit sollte der JUNUT für mich Geschichte sein, nochmal die knallharten 170 km kamen nicht in Frage, die 239 km erst recht nicht.
Dann aber die Überraschung: anlässlich der 10. Auflage dieses Laufes stand eine 104-km-Distanz auf dem Plan. Herz, was willst du mehr, das ist eine durchaus machbare Strecke, die auch noch über die ersten landschaftlich besonders reizvollen Abschnitte dieses Ultras führt.
Die 10. Auflage musste zwar coronabedingt warten, rutschte von 2020 über 2021 schließlich auf 2022, jedenfalls bekamen Mirko und ich einen Startplatz, zitterten uns trotz vollständiger Corona-Impfung durch den für den Check-In zum Lauf erforderlichen Coronatest und … und waren nun unterwegs.
Unser Motto „Ankommen“ war angesichts einer großzügigen Cut-Off-Zeit von 22,5 Stunden fast rhetorisch, das sollte nun wirklich kein Problem sein.
Auf den ersten 10 km nieselte es, ganz leicht, erträglich, wir waren von vornherein gleich wärmer gekleidet, in Regenmontur, gestartet. Wenn das alles ist – das kennen wir härter!
Aber es war nicht alles! Der Regen wurde heftiger und noch vor km 27, VP 1 in Riedenburg, goss es in Strömen, Wege wurden Rinnsale, Rutschbahnen, das Wasser kroch an unseren Körpern entlang.
Nach nur kurzer Pause, Stehenbleiben hieß Auskühlen, patschten wir weiter. Ja, Patschten, anders kann man es nicht nennen, der Zustand der Pfade wurde zusehend schlechter, der Kalkstein wurde rutschig, ein Abstieg nach der Klamm vor Burg Prunn kaum noch zu laufen, nur zu rutschen, Zeit blieb auf der Strecke liegen, aber wir kamen voran.
Vor Kelheim, etwa bei km 45, plötzlich Regenpause, Sonnenstrahlen, das im Abendlicht romantisch beleuchtete Donautal, jetzt war es schön. Schön war es auch im warmen Verpflegungszelt in Kelheim.
Sabine, die uns bei diesem Rennen ein wichtiger und guter Unterstützer war, meinte: „Nur noch eine dicke Wolkenformation, dann bleibt es wohl länger trocken!“
Da ich meine Wechselsachen erst in Matting anziehen wollte, um mich vor der kühlen Donauüberfahrt zu schützen, zog ich nun, wie Mirko längst getan hatte, über meine sauteuren Regensachen, die diesem Wetter nicht standgehalten hatten, ein 99-Cent-Regenponcho – bloß gut, denn was jetzt kam …
Auch Kelheim hatten wir zügig verlassen, aber noch im Anstieg über den Kreuzweg am Stadtrand grummelte es. Mirko meinte nur: „Ach, Gewitter waren da ja auch noch!“
Dieses „Gewitter“ hatte später zu keinem Zeitpunkt direkt über uns gestanden, angesichts unvorstellbarer Wassermassen und tagheller Blitze hatten wir ängstlich die Entfernung ausgezählt. Bloß gut, wir waren jetzt im Wald geschützt unterwegs.
Laufreunde, die ein paar Kilometer weiter auf den Freiflächen vor Bad Abbach unterwegs waren, beschreiben die Situation etwa so: Die Blitze waren ununterbrochen und so hell, dass man eine Stirnlampe nicht mehr brauchte. Der Sturm und die Wassermassen waren so heftig, dass man dachte, man werde von hinten von einem Feuerwehrschlauch angestrahlt, stehenbleiben war kaum möglich!
Als wir auf diesen Freiflächen waren, war es lange vorbei. Bis hierher waren wir nur noch schleppend vorwärtsgekommen, der Wald hatte sich in einen Sumpf verwandelt, immer wieder Ausrutschen, Schuhe voller Wasser, Mirko stürzt, verletzt sich zum Glück nicht.
Nun scheint sogar der Mond – aber irgendetwas stimmt nicht! Man kann hier weit zurückblicken – keine Lichter irgendwelcher Stirnlampen zu sehen! Einige Starter der 15-Uhr-Gruppe, die schnellsten des Wettbewerbes, müssten uns längst eingeholt, überholt haben, wir MÜSSEN doch welche sehen!? Wir einigten uns darauf, dass auch sie durchs Unwetter mussten und wohl genauso durch den Sumpf patschen, wie wir, das kostet eben Kraft und Zeit.
Was wir nicht wussten …
Nach einem heftiger Verhauer in Bad Abbach, wir hatten eine Markierung übersehen, erreichen wir, noch immer uneingeholt, zwei Stunden später als gedacht, Matting, VP 3. Auch am Hang auf der anderen Seite der Donau heute keine Lichter der Stirnlampen, die sich bergauf schlängeln.
Wir biegen ab in Richtung Feuerwehr, Verpflegungspunkt, nur kurz wollen wir bleiben, Essen Umziehen, dann weiter. Da kommt uns jubelnd Sabine entgehen.
„Super, ihr habt es geschafft, Zieleinlauf!“
Ich dachte: spinnt die? Was ist denn das für ein Quatsch, als schnell die Auflösung kam – für ihre Worte, die fehlenden „Stirnlampen“.
Das Rennen war vom Veranstalter wegen des Unwetters, eine Besserung war vorerst nicht in Sicht, das Wasser der Donau war während unsres Rennens drastisch gestiegen, die Überfahrt über den Fluss war zum nicht mehr berechenbaren Risiko geworden, angehalten, abgebrochen worden. Wären wir nur etwas länger in Kelheim geblieben, wäre schon dort unser Ende gewesen, hätten wir nicht mehr weitergedurft. So waren wir die letzten, die noch im Rennen unterwegs waren und das wir mit unser Ankunft hier praktisch insgesamt beendeten.
Verblüffung, Verwunderung, Erstaunen waren schnell gewichen, einmal umarmt, gegenseitiges Schulterklopfen, Ende! Bei dem, was wir erlebt hatten und befürchteten, noch erleben zu müssen, gab es keine Diskussion – es war vorbei! Die Entscheidung der Rennleitung war mehr als verständlich!
Pizza, Bier, endlich trockene Sachen und etwas Wehmut: wir waren zwar langsamer als gedacht, aber wir waren noch immer gut drauf, haben nicht nur dieses „falsche“, hätten auch das richtige Ziel erreicht!
„Dann müssen wir’s halt nochmal machen!“, meinte Mirko. Auf jeden Fall! Wenn es dieses Streckenangebot nochmals geben sollte – ich bin / wir sind dabei!
(Überraschend war nun der Samstag frei, der Sonntag war ohnehin für Regeneration und etwas Kultur geplant, ein paar Bilder dazu findest du unter dem Track unseres Laufes.)
Der Track unseres Laufes, aufgezeichnet mit GARMIN Forerunner 245
Distanz: Kilometer Höhe (min): Meter Höhe (max): Meter
Bilder aus den Tagen danach