Tour 5/2009
03. Mai 2009
500
und ein Jahreserster
Es gibt Jubiläen, die die Welt nicht braucht, und sicherlich gehört auch dieses dazu:
Trotzdem stand ich in den späten Nachmittagsstunden des 3. Mai 2009 auf dem Gipfel der Polenzwacht im Brandgebiet und damit auf meinem 500. Elbsandsteingipfel.
Ralf Hanke, mit dem ich nach sehr langer Pause mal wieder im Sandstein unterwegs war, hatte es bis dahin nicht gewusst, schüttelte mir kurz die Hand und meinte, dass es schön sei, dass er dabei sein durfte. Warum auch nicht: nach Volker Roßberg und Steffen Große ist er die Nummer drei meiner häufigsten Seilgefährten.
Als wir dann wenig später am Felsfuß saßen und passend zum Jubiläum den heimlich antransportierten Sekt tranken, konnten wir allerdings über das Erlebte nur den Kopf schütteln. Denn passend zu diesem Höhepunkt im persönlichen Kletterleben war auch die Besteigung dieses Gipfels ein Höhepunkt, nämlich eher eine Abenteuerfahrt, als eine sinnvolle Kletterei.
Wir waren also gezielt in das Brandgebiet gefahren, um dort weiterzumachen, wo wir im Vorjahr aufgehört hatten. Da hatten wir nämlich den Grünen Stein, Alter Weg V, stehen lassen müssen, weil keiner den entschiedenen Zug gewagt hatte. Diesmal sollte es aber klappen. Der fast immer nasse Fels war wegen der langen Aprilhitze trocken, die einzige brauchbare Knotenschlinge unter Zuhilfenahme eines Teleskopwanderstocks aus der Kletterstellung nach mehreren (einen fast zum Wahnsinn treibenden) Versuchen bombensicher platziert — und der Gipfel erstiegen. Ein guter Tagesstart.
Nach der Besteigung zweier wilder Tiere, Nashorn und Elefant, war unser nächster Kandidat der Schluchtturm. Das einzige, was hier für uns ging, war der Alte Weg II. Ich sage euch, eine Schweinerei aller erster Güte. Schon als ich die Scharte erreicht hatte, war ich nass und dreckig. Die Spreize in den Kamin war angesichts moosiger und nasser Wände ein Tanz auf Seifenlauge und hatte mit Schwierigkeit II nichts zu tun. Wer klettert denn solch einen Unsinn!
Wir! Das wurde uns umso deutlicher, als wir dann das Gipfelbuch von 1972 in den Händen hielten: Jahreserster 2009. Und auch 2008 war kaum jemand hier oben. Ist auch besser so.
Dann kam mein heimliches Finale, von dem Ralf, wie gesagt, nichts wusste. Ich hatte mir den Alten Weg, III, auf die Polenzwacht und schließlich die Südrinne, III*, auf das Kolosseum vorgestellt — praktisch einen Sternchenweg zum 500sten.
Wer es mal ganz pervers möchte, sollte das genau so planen!
Ich bin nach einigen verzweifelten Versuchen als eigentlicher Kaminkletterfreund entnervt aus den feuchten Spalten der Polenzwacht gestiegen und habe erklärt: ich bin doch nicht verrückt, das steige ich nicht! (Im Gipfelbuch habe ich später gesehen, dass tatsächlich auch kaum ein Mensch sich durch diese Gruften wagt!)
Also ging es gleich in die Südrinne. Eine III, das musste einfach herrlich sein. War es nicht!
Ich bin sicherlich kein Superkletterer, aber die Masse der Fünfen und Sechsen, die ich gestiegen bin, waren deutlich leichter, als diese vermeintliche Drei. Minutenlang habe ich schweißüberströmt im Schulterriss geklemmt und letzten Endes erfolgreich dagegen gekämpft, nicht einfach rauszufallen.
Nachdem Ralf dann auch auf dem Gipfel war, waren wir gar nicht auf dem eigentlichen Gipfel. Nicht weniger nervenraubend als die Kletterei, war der Übergang zum Gipfelkopf. Während ich irgendwann allen Mut zusammen genommen hatte und aus einer Kletterhaltung aus der Wand abgesprungen bin (ich war heilfroh, dass ich die andere Seite tatsächlich erreicht hatte), ist Ralf in eine ganz andere Richtung, die er als die bessere empfand gesprungen — und ordentlich im abwärts geschichteten Sand gelandet. Hallballo, die Nerven muss man erstmal haben!
Neben uns nun die Polenzwacht, die unerreichbare! Obwohl, gab es da nicht einen Übergangsweg, IV? Gesichert an der Abseilöse des Kolosseums ging es über Reibung abwärts, dann der Übertritt, der für IV einfach nur lächerlich war — und schon waren wir drüben. Es war vollbracht, und zwar mit einem Gipfel, der ein halbvolles Gipfelbuch von 1969 hat. Kein Wunder!
Da saßen wir also nach etwas länger und härter als erwarteten Kampf wieder am Wandfuß, schlürften unseren Sekt, merkten das uns die Hitze, die Anstrengung aber auch der (positive) Stress des Tages doch ganz schön geschafft hatten — die Luft war raus!
Trotzdem, ein Klettertag, wie man ihn gern erlebt — voller Abenteuer und teilweise mit Gipfeln, die man sich auch auf den scheinbar leichten Wegen hart erkämpfen muss.
An dieser Stelle danke ich all meinen Seilgefährten, die mich auf diese 500 Gipfel begleitet haben
Allen voran natürlich Volker Roßberg, mein häufigster Bergkamerad, der mich vor Jahren auch wieder zum Kletterleben erweckt hat und dem ich dieses Ergebnis damit im besonderen Maße verdanke.
Aber auch Steffen Große, Ralf Hanke, Maria Roßberg, Dirk Wiesner und meinem gegenwärtig aktivsten Seilpartner Thomas Kobbe — und den weiteren zig Kletterern, die ich hier einfach nicht alle nennen kann.
Ich freue mich auf alle Touren, die da noch kommen — denn immerhin stehen allein im Elbi noch etwa 600 weitere zumindest von mir unbestiegene Gipfel herum ;)
Die Touren dieses Tages:
Grüner Stein — Alter Weg — V
Elefant — Gassi — II
Nashorn — Südwestweg — I (einer der schönsten Einser, die ich kenne!
Schluchtturm — Alter Weg — II
Kolosseum — Südrinne — III
Polenzwacht — Neuer Übergang - IV