Tour 04/2020 – Bielatal, Regenguss und plötzlich 10. Jubiläum
- im Schusterweg am Falkenstein
Hätte ich bloß nichts gesagt! Wir stehen in der Boofe am Schildkrötenturm im Bielatal, es donnert und gießt in Strömen. Aber das war keine Überraschung, das Gewitter war angesagt und kam zum Glück deutlich später – zwei schöne Klettereien lagen hinter uns. Für heute war Schluss, nun berieten wir, wohin es am Sonntag gehen sollte. Und Fechi schlug vor: den Uferweg am Talwächter
Gute Idee, dachte ich! Almuth aber war skeptisch und ich wollte es ihr etwas schmackhaft machen: das kommt dem Falkenstein ein kleines bisschen nahe … und dann, oje, oje, habe ich ergänzt: „Oder wir machen gleich den Falkenstein!“
Das doppelte JAAAA von Almuth und Fechi traf mich wie ein Blitz des abziehenden Gewitters und die Augen niederschlagend dachte ich: kannst du denn nicht deine Klappe halten!
Nicht, dass ich Angst vor dieser Schrumme hätte, es war mehr das mangelnde Selbstvertrauen an mich selbst, denn die Spuren meiner Erkrankung sind auch nach mehr als einem Jahr noch ziemlich deutlich.
Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt – aus der Nummer war irgendwie nicht mehr rauszukommen!
Beim abendlichen Bier wurden die Details abgesprochen: Fechi steigt die Einstiegsseillänge und die Porzellankante vor, ich den Rest. Und später – warum auch immer mitten in der Nacht, als ich wach lag – kam das Erwachen: das würde meine 10. Begehung des Schusterweges werden, ein echtes Jubiläum!
Gegen 12 Uhr des 16. August 2020, genauso, dass die heiße Sommersonne die Ostflanke des Falkensteins gerade verlassen hatte, saßen wir bei einem Startbier am Einstieg des Schusterweges. Unsere Gesichter auf dem Foto zeigen unsere Anspannung, nur Almuth freut sich wie ein Schneekönig, sie hatte sich im August 2018 in diesen Kletterweg verliebt und wollte ihn schon immer mal wieder gehen.
Den Rest der Geschichte erzählen die Bilder: schnell hatte Fechi den Einstieg gemeistert, so wie Almuth auf dem Foto genossen wir die Porzellankante, meine lahme Hand tat ihr Ding und schon waren wir durch das Kriechband robbend, die Reibung schleichend und Oscar Schuster an die Nase fassend am Unteren Reitgrat angekommen.
Der Untere Reitgrat ist ohne Zweifel die Schlüsselstelle der Tour, verdammt eng, anstrengend und schweißtreibend geht es hinein (letztes Foto oben) und nicht weniger kompliziert an einer krummen Wabenwand wieder hinaus. (erstes Foto unten)
Aber irgendwann saßen wir alle am Fuße der letzten von sieben*) Seillängen und nur wenig später nach herzhaften Umarmungen und einem jubelnden „Berg Heil!“ glücklich auf dem sonnenüberfluteten Gipfel des Falkensteins.
Nach einer ausgiebigen Pause fuhren wir über die 86 m Abseilpiste wieder ins Tal ab, waren um 17 Uhr doch ziemlich erschöpft und mit der einen oder anderen Blessur wieder am Einstieg und stillten unseren ständig gewachsenen Durst mit einem leckeren Siegerbier.
Danke, Almuth und Fechi, für diesen unverhofften Klettertag, diese großartige Bergfahrt, für dieses plötzliche 10. Jubiläum – manchmal ist es eben doch gut, wenn man seine Klappe nicht halten kann!
*) Für Insider: Wir haben die Reibungsseillänge geteilt und zunächst an der Nachholöse auf dem rechten Türmchen Stand gemacht. Das vermindert die Seilreibung ungemein, auch wenn es Zeit kostet.