Predigtstuhl, 1921 m, (Karwendelgebirge)
Südwestpfeiler, IV+
Spricht man vom "Predigtstuhl", denken die meisten Bergfreunde sicherlich zunächst an den bekannten gleichnamigen Gipfel im Kaisergebirge. Aber um den geht es hier nicht. Es geht vielmehr um den zwar deutlich niedrigen und sicherlich weniger spektakulären Namensvetter im Karwendelgebirge, hoch über Mittenwald im Dammkar gelegen. Mit einem relativ kurzen Zustieg, dazu in Hüttennähe, bietet er zum Beispiel mit einer herausragenden Route im oberen vierten Grad, dem Südwestpfeiler, ein durchaus lohnendes Tagesziel, wenn man auf der Hütte nächtigt, eine gemütliche Nachmittagstour. Wir sind diese Route gestiegen und stellen sie hier vor.
Tal- und Ausgangsort: Mittenwald. Parkplatz an der zentralen Auffahrt zur Bundesstraße in Richtung Garmisch
Zustieg: vom Parkplatz nördlich breiten Fahrweg, am Ende über normalen Bergpfad (ca. 1 Std. 30 min) oder südlich vom PP über schmalen Ochsensteig - landschaftlich sehr schön, aber deutlich anspruchsvoller (ca. 2 Std. 15 min) zur Dammkarhütte.
Von der Hütte auf Steigspuren nordöstlich direkt zum Einstieg, der wegen einer dort befindlichen Gedenktafel absolut nicht zu übersehen ist (ca. 15 min).
Anforderungen: Wandhöhe 200m, Kletterlänge ca. 230m, 8 Seillängen, die ersten drei IV und IV+, dann deutlich leichter im dritten Grad. Wir haben 3 Std. benötigt. Alle Standplätze sind eingerichtet, zahlreiche Zwischensicherungen vorhanden, gute Möglichkeiten für Klemmkeile und auch viele Sanduhren.
Literatur: Karsten Kriele "Alpines Genussklettern", Bruckmann-Verlag, ISBN 3-7654-4147-3,
Karte: Alpenvereinskarte Nr. 5/1 Karwendelgebirge, Maßstab 1:25.000;
Unsere Teams am 18.10.2008: Aldo Bergmann - Thomas Herrmann / Thomas Kobbe - Andreas RichterDie Route
(Für ein Foto mit grobem Tourenverlauf klick hier)
Der Einstieg
Der Einstieg befindet sich unmittelbar an der bereits genannten Gedenktafel, der Standplatz ist eingerichtet.
1. Seillänge, ca. 25 m, IV
Von der Tafel kurz auf dem Band nach links queren und dann einfach den deutlich erkennbaren Zwischensicherungen folgend den steilen Riss aufwärts, oben rechts haltend über Platten auf Absatz zum Standplatz,
2. Seillänge, ca. 20 m, IV+
Die Schlüsselseillänge, aber nur, wenn man es will ;)
Denn man kann wahlweise entweder vom Standplatz aus direkt an einer Schuppe entlang zum nächsten Absatz steigen (IV+) oder das ganze im Rechtsbogen über gestuftes Gelände umgehen (IV)
Meine Empfehlung: die Schuppe hoch! Ich habe am Beginn der Schuppe einen Knoten gelegt (geht sicher auch ein großer Klemmkeil), mit einem mutigen Zug ist man am Zwischenhaken und wenn man dann ordentlich ausspreizt, auch schon auf dem Absatz - Genuss, wenn man mit der vielen Luft unterm Hinterteil klarkommt!
3. Seilklänge, ca. 25 m, IV
Jetzt leicht links in eine Verschneidung, diese aufwärts zum kleinen Absatz und von dort nach rechts über senkrechte Wandstufe zum Standplatz (bloß nichts links im engen Kamin versuchen, die senkrechte Stufe zu umgehen - man kommt oben einfach nicht raus - ich jedenfalls nicht!)
4. Seillänge, ca. 20 m, III+
Ab jetzt wird es deutlich einfacher, und purer Genuss! Im Prinzip jetzt immer der einfachsten Linie folgen. Vom Standplatz einfach senkrecht entlang der Schuppe weiter aufwärts bis zum nächsten Standplatz.
5. Seillänge, ca. 30 m, III+
Leicht links haltend über plattigen Fels, der teilweise mit Graspolstern durchsetzt ist, aufwärts.
6. Seillänge, ca. 40 m, III
Rechts eine geneigte Platte aufsteigen und ihr ca. 20 - 25 folgen, dann ca. 15 m links haltend zum Standplatz auf einem Band.
7. Seillänge, ca. 30 m, III
Über den gestuften Fels zunächst leicht rechts haltend und dann links über Grasschrofen zum Standplatz unterhalb einer großen Platte.
8. Seillänge, ca.40 m, III
Die Platte zunächst nach links durch Rinne, sobald man nach rechts in die Rinne kann durch diese, bis zum letzten Standplatz umgehen. (Es soll auch rechts an der Platte vorbei direkt aufwärts gehen.)
Zum Gipfel und der Abstieg
Wenige Meter über Grasschrofen zum Gipfelkreuz.
Vom Gipfelkreuz auf deutlichen Steigspuren zurück in das Dammkar absteigen, bis zu Hütte ca. 20 min.
Nachdem das Jahr 2008 hinsichtlich eigener alpiner Unternehmen mehr als schlecht abzuschließen schien, war die Anfrage zweier Bergfreunde nach einem gemeinsamen alpinen Wochenendtrip im Oktober mehr als Willkommen. Schnell waren mit Thomas Herrmann und mir sowie Thomas Kobbe nebst Andreas Richter zwei gute Seilschaften zusammengestellt und rein zufällig hatte ich mir erst kurz zuvor das oben unter "Literatur" angegebene Buch gekauft. Endlich mal ein Werk, das überwiegend Touren für Kletterer in unserem Leistungsniveau vorstellt.
Unter dem Gesichtspunkt der guten Erreichbarkeit, eines kurzen Zustiegs und einer überschaubaren Kletterei war dann schnell der Predigstuhl bei Mittenwald ausgewählt.
Tatsächlich standen wir dann gegen 11:30 Uhr des 18.10.2008 auch am Einstieg des Südwestpfeilers - und waren schon etwas beeindruckt. Zum Einen von der klirrenden Kälte, zum Anderen von der Route selbst, die sich senkrecht über dem Einstieg aufstellt.
Aber voller Optimismus ging es schnell in die Route - und überraschend scharf zur Sache. Die senkrechten Risse der ersten Seillänge fordern gleich etwas Phantasie, die einem angesichts gefrorener Hände schon recht schnell vergehen kann. Aber wer diesen Grad beherrscht, löst das Problem schnell. Nach der zweiten Seillänge habe ich persönlich schon gejubelt, herrlich, eine IV+ im Vorstieg ...
Aber wie sagt man immer? Hinten ist die Ente fett - in der angeblich leichteren dritten Länge hatte ich echt zu tun, habe mich schweißgebadet schließlich hoch gemogelt und war schon ein wenig froh, als ich am Standplatz war. Für Nachmacher also: Vorsicht! Die dritte Seillänge ist nicht zu unterschätzen und aus meiner persönlichen Sicht die schwerste, vor allem das letzte steile Wandstück ist schlecht gesichert und etwas sehr moralisch!
Aber ab dann ist die Tour nur noch (weiterer) Genuss, der für uns durch warme Herbstsonne noch so richtig vergoldet worden ist. Es wäre einfach zu viel, das jetzt hier in Worte zu fassen: macht diese Tour einfach, auch euer Herz wird vor Freude schneller schlagen!
Nur zwei Stunden nach dem Gipfelerfolg waren wir wieder in Mittenwald - und haben diesen Tag bei bayrischer Handmusik - die sogar noch richtig schön war ;))) - ausklingen lassen.
Fazit Eine wunderschöne hervorragend abgesicherte Bergfahrt in festem Gestein.
Wir werden das Gebiet um die Dammkarhütte mit Sicherheit nochmals besuchen - allerdings wenn die Hütte geöffnet ist und einem im Morgenschatten nicht Nase, Ohren und Finger abfrieren ;)